Die Entstehungsgeschichte des CVJM Luckau
1. Luckau und seine Region
Luckau ist mit seinen reichlich 5.000 Einwohnern (Kernstadt) eine Kleinstadt in der Niederlausitz im Süden Brandenburgs, relativ genau gelegen zwischen Berlin und Dresden. Die Region lebte lange Zeit vom Abbau der Braunkohlevorräte im Umland. Seit der Wende wirkte sich die weite Entfernung nach Berlin, Dresden und Leipzig negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung der Region aus. Großprojekte (Lausitzring, Cargolifter, …) brachten der Region nicht den gewünschten Aufschwung. Im Gegenteil: diese Firmen haben Insolvenz beantragt und ihre wenigen Mitarbeiter entlassen. Früher gab es eine starke Abwanderungsbewegung, vor allem Jugendliche zogen nach dem Schulabschluss auf der Suche nach einer Ausbildung von Luckau weg. Die ohnehin schon dünn besiedelte Region (die meisten Dörfer um Luckau haben gerade mal 50-400 Einwohner) hat nur einen kleinen Wachstumsmarkt: den Tourismus. Im Jahre 2000 fand in Luckau die erste brandenburgische Landesgartenschau statt, bei der viele Häuser renoviert und die Grünanlagen wunderschön gestaltet wurden.
Die evangelische Landeskirche hat in Luckau noch eine gute Tradition. So sind, entgegen dem Anteil in anderen Bereichen Brandenburgs, ca. 20% der Luckauer Mitglied in der Kirche. Im Mittelpunkt steht dabei der große gotische Kirchenbau mit barocker Innenausstattung. Als größte Sehenswürdigkeit der Stadt ist sie Anziehungspunkt vieler Touristen und auch Versammlungsort der Kirchengemeinde. In der Vergangenheit ist sie mit sehr großem Aufwand renoviert worden.
2. Das Haus als Grundstein
Die Entstehung der CVJM-Arbeit in Luckau ist sehr eng mit dem Erwerb des Hauses in der Nordpromenade verbunden. Im Herbst 1993 bot eine Frau aus Bad Oeynhausen dem CVJM-Gesamtverband an, ihren Anteil eines Hauses in Luckau, das sie mit ihren beiden Geschwistern nach der Wende zurückbekam, dem CVJM zu schenken, sofern dieser dieses Haus für eine christliche Jugendarbeit nutzen wolle. Das CVJM-Ostwerk nahm daraufhin Kontakt mit dieser Frau und ihren beiden Geschwistern auf und erwarb dieses Haus 1994 zu einem sehr günstigen Preis. Der Vater der drei Geschwister war Jude und unterhielt in diesem Haus in den frühen dreißiger Jahren eine Arztpraxis. Nach der Machtergreifung Hitlers flüchtete er. Seine Frau und die Kinder fanden in Berlin Unterschlupf. Nach dem Ende des NS-Reiches übernahm der Staat das nun leerstehende Haus und baute es zum Kulturhaus der Stadt um. Einige Jahre war es eine staatliche Jugendeinrichtung, vor der Wende wurde es als Volkshochschule genutzt. In den Räumen der ehemaligen Arztpraxis befand sich auch die ganze Zeit über das „Büro der deutsch-sowjetischen Freundschaft“, einer Organisation, die enge Kontakte zur Stasi unterhielt. Dem CVJM war es von Anfang an sehr wichtig, dass von diesem Haus, das zu einem Symbol des Unrechts geworden war, ein Zeichen der Hoffnung ausgehen möge und es wieder zu einem Haus der Freude und der Zuversicht werde. Mit diesem Haus wurde in Luckau der Grundstein für eine regelmäßige CVJM-Arbeit gelegt.
3. Die ersten Jahre des CVJM
Im Herbst 1994 berief der Vorstand des CVJM-Ostwerks das Ehepaar Steinert nach Luckau mit dem Auftrag, dort Jugendliche mit dem Glauben an Jesus vertraut zu machen und eine langfristige Arbeit im Sinne der Pariser Basis aufzubauen. Dies gestaltete sich schwieriger als erwartet, galt es doch in den ersten Jahren, den Ruf des CVJMs vom ständig schwelenden Sektenvorwurf freizuhalten. Besonders erschwerend kam hinzu, dass es in einem Umkreis von 70 km keinen CVJM gab, an dem vorbildhaft die Arbeit vorgestellt werden konnte und Kritiker zu überzeugen gewesen wären. Selbst die sehr traditionell geprägte Kirchengemeinde hielt sich über Jahre auf Distanz und betrachtete die junge Arbeit eher als Konkurrenz. Das Ehepaar verstand es, vor allem mit Kindern eine kleine Arbeit aufzubauen, einige Freizeiten durchzuführen und die ersten Wurzeln für eine dauerhafte Akzeptanz in der Stadt zu legen. Es wurde ein eigener Ortsverein gegründet, der jedoch nie rechtskräftig eingetragen wurde. Im Winter 1998 stellte sich bei Herrn Steinert eine langwierige Krankheit ein, die seine Arbeit unterbrach und die regelmäßigen Kreise zum Erliegen brachte. Im August 1999 beendeten das Ehepaar ihre Arbeit in Luckau und auch der Verein löste sich mit dem Wegzug der beiden auf.
4. Der Neuanfang
Nach langen Diskussionen im Vorstand des CVJM-Ostwerks wurde beschlossen, die Arbeit in Luckau mit einem neuen Hauptamtlichen weiterzuführen. Hans Ulrich Dobler wurde zu diesem Dienst berufen und er begann im September 1999 damit, die Arbeit neu aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt gab es weder einen geschäftsfähigen Ortsverein noch regelmäßige Mitarbeiter, auf die zurückgegriffen werden konnte. Der Pfarrer der örtlichen Kirchengemeinde, Jörg Gintrowski, hatte an diesem Neuanfang ein großes Interesse und bot sich an, gemeinsam mit dem neuen Hauptamtlichen einen Jugendkreis, die Junge Gemeinde, aufzubauen. Mit einigen wenigen ehemaligen Konfirmanden begann die regelmäßige Arbeit im CVJM-Haus wieder aufzuleben. Neben diesem Jugendkreis fand sich auch bald eine große Clique 16-jähriger Jugendlicher im Haus ein, die jedoch wenig Interesse an christlichen Inhalten hatte, vielmehr „nur“ die Räume zum Abhängen benutzte. Nach mehreren Vorfällen wurde diese Arbeit nach ungefähr einem Jahr eingestellt. Im Sommer 2000 gründete sich ein Mitarbeiterkreis, der sich neben dem eigenen persönlichen Austausch zu Glaubens- und Lebensthemen intensiv bei Veranstaltungen oder Jugendprojekten engagierte. Seit dem Neuanfang hat sich der CVJM immer wieder mit Veranstaltungen in der Öffentlichkeit präsentiert, vor allem auch auf der Landesgartenschau im Sommer 2000. Schon rein äußerlich hinterlies die Gartenschau ihre Spuren, denn durch Zuschüsse der Stadt konnte das Dach, die Fenster und die Fassade des Hauses vollständig saniert werden. Immer wieder halfen Jugendliche auch mit, die Räumlichkeiten im inneren des Hauses schöner werden zu lassen.
5. Der neue Verein
Die Anstellung des neuen Hauptamtlichen vom CVJM-Ostwerk wurde nur unter der Bedingung beschlossen, dass sich in den kommenden Jahren ein eigener Ortsverein gründet, der langfristig auch die Finanzierung und Anstellung des Mitarbeiters übernimmt. Unerwartet schwer gestaltete sich die Suche nach geeigneten Mitgliedern dieses neuen Vereins. Die alten wollten sich nicht mehr zur Verfügung stellen und neue waren lange nicht zu finden. Erschwerend kam hinzu, dass viele Menschen die Arbeit des CVJM gut und lobenswert fanden, sich aber nicht an einen Verein binden und vor allem sich nicht in die Verantwortung einer Vorstandsarbeit nehmen lassen wollten. Erst nach 2 Jahren fruchtete die Suche und nach einem weiteren halben Jahr konnte am 7. Oktober 2001 der neue CVJM Luckau mit damals 12 Mitgliedern gegründet werden. Die Eintragung beim Amtsgericht wurde drei Tage später vollzogen. Das Vorstandsteam arbeitete sich gut und harmonisch ein und auch neue Mitglieder konnten in den Verein aufgenommen werden. Wie sehr der Rückhalt in der Stadt und auch in der Kirchengemeinde gewachsen war, zeigte sich auch daran, dass inzwischen viele Spender den Verein unterstützten. Waren es zunächst Spender aus Süddeutschland – Freunde und Verwandte des Hauptamtlichen – so nahmen die Spenden aus der Region Luckau zu. Dies war auch dringend nötig, denn im kommenden Jahr endeten die Zuschüsse des Arbeitsamtes endgültig und der Verein musste mit eigenen Mitteln die Finanzierung des Hauptamtlichen übernehmen.
6. Die Offene Jugendarbeit & Personalwechsel
Der CVJM Luckau bewarb sich beim Landkreis um eine halbe Stelle für Offene Arbeit in einer Jugendfreizeiteinrichtung und wurde daraufhin in die Jugendhilfeplanung aufgenommen. Ab dem Jahr 2007 kam somit der Arbeitsbereich der Offenen Jugend(sozial)arbeit hinzu. Ein Offener Jugendtreff konnte in Luckau etabliert werden. Ab Oktober 2007 übernahm Julia Bräunig als Dipl. Sozialpädagogin diesen Arbeitsbereich. Der Landkreis Dahme-Spreewald, die Stadt Luckau und das Land Brandenburg fördern jährlich diese Maßnahme gemäß SGB VIII mit Personal- und Sachkosten. Hans-Ulrich Dobler verließ im Sommer 2007 nach acht schönen Jahren seine Wirkungsstätte. Ihm folgte Marco Bräunig ab Oktober 2007 als hauptamtlicher Leiter des CVJM Luckau. Das Ehepaar Bräunig war nun erstmalig beim Ortsverein selbst angestellt, wodurch der Vorstand zum ersten Mal in eigene Personalverantwortung kam. Nun galt es, weiterhin die erfolgreiche Arbeit mit Jugendlichen fortzuführen und Spenden für verschiedene Aufgaben einzuwerben.
7. Arbeit mit Kindern & Personalwechsel
Im Jahr 2012 entschied der Vorstand, den Arbeitsbereich Arbeit mit Kindern aufzubauen, um eine größere Kontinuität hin zur Jugendarbeit zu gewährleisten und noch mehr junge Menschen mit wertvollen pädagogischen Angeboten zu erreichen. Die seit dem Jahr 2009 als Elternzeitvertretung angestellte Dipl. Sozialpädagogin Johanna Eilzer baute diese Arbeit kontinuierlich auf und gewann dazu auch mehr und mehr Jugendliche, die sich für die Arbeit mit Kindern engagierten. Im Herbst 2017 verließ Johanna Eilzer den CVJM Luckau. Interimsmäßig stellte der Vorstand, die bis dahin im Europäischen Freiwilligendienst tätige, pädagogisch ausgebildete Emese Sebök ein, welche die Arbeit für ein Jahr übernahm. Im Herbst 2018 stellte der Verein den Sozialarbeiter Tobias Laurisch für die Offene Kinder- und Jugendsozialarbeit im CVJM-Haus an. Er knüpfte nahtlos an die erfolgreiche Arbeit an und führte diese seiher professionell weiter. Die Stadt Luckau stellt zwischenzeitlich weitere Mittel für Personalkosten bereit, so dass die Stelle für die Offene Kinder- und Jugendsozialarbeit nunmehr mit 80 % bespielt werden konnte.
8. Pfadfinderarbeit
Im Jahr 2019 traf der Vorstand gemeinsam mit der Evangelischen Kirchengemeinde vor Ort die Entscheidung, eine Pfadfinderarbeit aufzubauen. Anschluss fand man beim Ring Evangelischer Pfadfinder in Norddeutschland. Dies ist ein Pfadfinderverband, wo nicht erst die einzelnen Kinder oder Jugendlichen selbst Mitglied werden müssen, um mitmachen zu können, sondern die Kirchengemeinde als Rechtsträger wurde Mitglied im Verband. Dadurch konnte das Angebot deutlich niedrigschwelliger gehalten werden und fand seither sehr großen Zulauf. Gerade in Zeiten von digitalen Medien tut es den Kindern und Jugendlichen unheimlich gut, raus in die Natur zu kommen, dort gemeinsam zu spielen, schöne Dinge zu erleben, füreinander da zu sein und Pfadfinder-Techniken aller Art zu erlernen (Knoten, Schnitzen, Zelte aufbauen, Lagerfeuer anzünden usw.). Das große Pfadfinderlager im Sommer mit anderen Pfadfinder-Stämmen aus Südbrandenburg ist dabei ein großes Highlight. Wenn die Kinder älter werden, gründen sie eigene kleine Pfadfinder-Sippen, wo sie weitere Pfadfinder-Techniken erlernen, sich jedoch auch bei den jüngeren Gruppen als Teamer engagieren und so ihre Erfahrungen selbst weitergeben.
9. Schulsozialarbeit
Im Jahr 2021 bewarb sich der CVJM Luckau als Träger für eine neu geschaffene und durch Bundesfördermittel initiierte 0,75-Stelle für Schulsozialarbeit an der Rosa-Luxemburg-Grundschule in Luckau. Der CVJM erhielt wiederrum das Vertrauen des Landkreises und die Stelle konnte im Jahr 2022 mit dem Sozialarbeiter Fabian Jung besetzt werden, der selbst als Jugendlicher im CVJM Luckau „groß“ geworden war, viel Segen erfahren und sich an einigen Stellen auch als Ehrenamtlicher eingebracht hatte. Als quasi Weltreisender (er war in Armenien und Kanada, zum Studium in Frankfurt am Main und zuletzt tätig in Norddeutschland) kam er mit seiner Frau und seinen mittlerweile drei Kindern wieder in heimische Gefilde und baute seither die Schulsozialarbeit an der Luckauer Grundschule mit hohem Engagement auf. Die restlichen 25 % der Stelle füllte der Träger durch (noch nicht vorhandene) Spenden auf, um die Pfadfinderarbeit weiter aufzubauen und andere Angebote für Kinder anzubieten. Seither benötigt der Verein nochmals deutlich mehr Spenden als zuvor.